Die Gewissensentscheidung rückt näher

Stellungnahme vom 15. November 2019

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter,

der „Verein gegen den Tod auf der Organ-Warteliste e.V.“ nimmt den Reformvorschlag der Gruppe um Frau Baerbock sehr ernst, denn seine Intention geht in die richtige Richtung. Aber es gibt auch Bedenken.

Die Aufklärung der Menschen über die Möglichkeiten einer postmortalen Organspende bei einem Besuch beim Hausarzt könnte wieder als ein Bedrängen kritisiert werden – mit dem Effekt, dass die Ärzte den Menschen dann letztlich nur eine Aufklärungsbroschüre überreichen würden. Außerdem wäre wohl mit erheblichen Kosten zu rechnen, die sich auf jährlich 500 Millionen Euro belaufen könnten. Dabei wäre es ungewiss, ob die Zahl der freiwillig und ohne Druck ausgefüllten Spenderausweise viel höher wäre als bei der ineffektiven Briefaktion der Krankenkassen.

Schon bei dieser Briefaktion, die einige Krankenkassen – halbherzig – durchführen, um auf die Möglichkeit einer Organspende hinzuweisen, steht der Aufwand in keinem Verhältnis zum Resultat. Auswertungen des Gemeinsamen Bundesausschusses haben ergeben, dass ein durch diese Aktion erreichter zusätzlicher Spender-Ausweis mehrere Hunderttausend Euro kostet. Mittlerweile informieren einige Krankenkassen über die Organspende nur noch per Mitgliederzeitung.

Der Vorschlag der Gruppe um Frau Baerbock enthält auch die Idee, dass die Bürgerinnen und Bürger beim Abholen eines Ausweisdokuments in einer Behörde eine Aufklärungsbroschüre erhalten. Dabei soll auch die Möglichkeit gegeben sein, sogleich an Ort und Stelle einen Register-Eintrag vorzunehmen, mit dem einer postmortalen Organspende entweder zugestimmt oder widersprochen wird.

Die Methode „Aufklärung im Amt“ wird in einigen Bundesländern bereits praktiziert. Die Erfahrung zeigt: Der Papierkorb für die überreichten Aufklärungsbroschüren steht bereit und wird genutzt. Einem Registereintrag an Ort und Stelle stehen zwei Argumente entgegen. Erstens: Bürgerinnen und Bürger könnten sich bedrängt fühlen. Und zweitens: das Register gibt es noch nicht. Es dürfte längere Zeit dauern, es aufzubauen.

Wir glauben, dass eine echte Aufklärung über die postmortale Organspende nur dann gelingen kann, wenn sie von den Menschen aus eigener Initiative nachgesucht wird. Und das tun viele, wenn die Widerspruchsregelung gilt. Aber niemand wird bedrängt oder muss sich mit dem eigenen Tod beschäftigen, jeder kann ohne Nachteile Nein sagen. Für behinderte Menschen muss ein Vormund entscheiden.

Daher bitten wir Sie, sich für die Widerspruchsregelung zu entscheiden.

Wenn Sie zur Festigung Ihrer Meinungsbildung ein Gespräch mit uns – vielleicht zusammen mit anderen Abgeordneten – über diese Fragen führen möchten, freuen wir uns über eine Einladung zu einer solchen Begegnung mit Ihnen.

Mit verbindlichem Gruß

Der Vorstand „Gegen den Tod auf der Organ-Warteliste e.V.“

Susanne Reitmaier, Vorsitzende; Mutter einer Tochter mit Spenderniere

Dr. med. Bernd Meyer, Vorstandsmitglied; Internist, Hausarzt

Dr. Rigmar Osterkamp, Vorstandsmitglied; Sozialwissenschaftler, Gesundheitsökonom

Peter Schlauderer, Vorstandsmitglied; mehrfach transplantiert, betreut Organpatienten im Universitätsklinikum Regensburg


Finanzielle Unterstützung

Um die Situation zu verbessern und unsere Ziele zu erreichen, benötigen wir finanzielle Unterstützung. Bitte rufen Sie uns an oder spenden Sie. Vielen Dank!

Eine Mahnung von 1970 (!) -- leider immer noch angebracht

"Bei der Organtransplantation muss die Gesellschaft letztlich eine harte Entscheidung treffen: Vorrang für das Leben oder für Tabus?"

Jesse Dukeminier Jr.

Persönlich betroffen

Die Interessen der persönlich und familiär vom Organmangel Betroffenen -- auch die der zukünftig Betroffenen -- finden politisch nur unzureichend Gehör. Durch Bildungsarbeit, Aufklärung und gute Argumente setzen wir uns für Reformen ein, die allen nützen.